NACHTCLUB ENSUITE


Von: Axel Biesler


Etwas abseits vom Zentrum Georgiens Hauptstadt Tiflis steht ein riesengroßes Fahrrad aus Gusseisen, ein Denkmal wohl. Und ich fragte mich, für wen.

In Tiflis sieht man selten Radler. Ein paar Trecking-Freaks aus Übersee auf ihrem Weg zum Kaukasus vielleicht. In Tiflis gibt es aber viele Banken, und ich fragte mich, wer sein Geld wohl dahin trägt. Ein Einheimischer erzählte mir, dass die meisten Georgier nicht mehr als ein paar Hektar Land besitzen, das für ihr Überleben sorgen würde. Bräuchten sie Geld, gingen sie nach Tiflis, um ihr Land zu beleihen. Die Banken gäben dann gerne Kredite, und es bräuchte nicht lang, bis das Land der Bank gehöre, und die Bauern in Tiflis strandeten.

In Tiflis erzählte man mir auch davon, dass sich der Patriarch fürchterlich darüber aufgeregt hätte, als ein Casino so nah an seine Zionskirche gebaut wurde, dass man nun selbst vom Altar aus Roulette spielen könnte. Wenig später entstand auch noch ein Nachtclub ensuite. Das Kirchenoberhaupt, der Leser ahnt es, war stinksauer.

2020 will das kleine Georgien die Fußball-Europameisterschaft an Kaukasus und Schwarzes Meer holen. Das hat der Sportminister Wladimir Wardselaschwili mutig verkündet. Georgien liebt den Ringsport, Fußball ist seine Sache eigentlich nicht.

Im Mai letzten Jahres fand auch das Weinfest im Freilichtmuseum Giorgi Tschitaja statt. Das Fest ist schon Kult, obwohl es erst zum zweiten Mal gefeiert wurde. Die Polizei hatte vorsorglich den einzigen Auffahrtsweg blockiert. Zum Ethno-Museum kam mit dem Auto nur, wer sich durch heftiges vor- und zurücksetzten seines Fahrzeugs sowie kakophonischer Lautmalerei mit den Beamten zu verständigen wusste. Trotz Blech- und Sprachknäuel blieb die Lage aber entspannt. Wem das dennoch zu hektisch war, konnte den Berg hinaufradeln oder marschieren. Doch der georgischen Natur behagt diese Art der Fortbewegung anscheinend nicht besonders.

Das Fest war herrlich anarchisch. Wovon hierzulande jeder Weinkenner gerne schwadroniert, gabs in Hülle und Fülle: Qvevri-Weine. In Georgien sind die Gewächse aus der Amphore keine Modeerscheinung, sondern selbstverständliche Durstlöscher von robustem Geschmack. Jeder Bauer hat zumindest eines dieser Tongefäße in seinem Garten vergraben und macht Wein darin. Orangenen und roten. Ein Woodstock des georgischen Weins war dieses Fest. In Tontonnen wurden frische Brotfladen gebacken, in einem riesigen Lagerfeuer Spieße gebraten, die so lang wie Weitwurfspeere waren. Auf jedem steckten drei oder vier saftige Kalbfleischstücke. Der Rauch verschluckte das Ethno-Dorf. Die Stimmung war prächtig. Ich musste mich nichts mehr fragen.

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